Sonntag, 21. Oktober 2007

Der Trau(m)ring


Mein Leben ist weder ein Spiel noch ein Traum. Aber wo genau die Grenzen liegen, das versuche ich anscheindend immer wieder herauszufinden. Das Rugby-Foto stammt von einem Abstecher nach Paris dieses Jahr. Es ist ein Ausschnitt von einer riesigen Zeichnung an einem Haus gleich neben dem Triumphbogen, ein Horror-Verkehrsring für alle Autofahrer aus Deutschland ;-) Der Text weiter unten ist eine Tagebuchnotiz vom 30. März 2000 mit der Überschrift "Der Trau(m)ring. Oder: Wie einem die Dinge aus den Händen gleiten können..."

* * *

Heute Nacht hatte ich wieder einmal einen merkwürdigen Traum. Ich war in einer Sommernacht unterwegs mit meinem Bruder Jascha und meiner Schwester Mieche in unserem Opel Astra. Keine Ahnung, wohin wir wollten. Es war eine Großstadtstraße, breit, mit viel Verkehr und wir fuhren ziemlich schnell. Ich saß auf dem Beifahrersitz und drückte wie ein Fahrlehrer auf ein extra Gaspedal und versuchte einen alten weißen Opel Kadett irgendwo vor uns, gerade noch in Sichtweite, fernzusteuern. Da saß niemand drin. Irgendwann wurden wir zu schnell, es gab zu viele Kurven und ich verlor das andere Auto langsam aus meinen Augen. Ich wollte auf die Bremse drücken, merkte aber, dass ich auf das Gaspedal drückte.

Zum Glück sah ich den weißen Wagen wieder vor uns und wollte ihn nun vorsichtig stoppen und an die Seite lenken. Aber wieder stellte ich fest, dass ich die Pedale verwechselte. Doch diesmal merkte ich es leider zu spät. Wir hörten einen großen Knall ziemlich weit vor uns und fuhren vorsichtshalber sofort auf einen abgelegenen Parkplatz auf der rechten Seite. Wir stiegen aus und sprachen aufgeregt miteinander. Da kam, vielleicht nach einer Viertelstunde, plötzlich meine Mutter auf den Parkplatz, als wäre sie aus der Küche ins Kinderzimmer gekommen. Sie sah etwas besorgt aus und meinte, die Polizei hätte sich bei ihr gemeldet. Sie hätten auf einer Videoaufzeichnung einer Tankstelle unser Auto zusammen mit einem weißen Unfallwagen gesehen und suchten uns nun. Meine Mutter wollte uns dies nur sagen und irgendwo an dieser Stelle hörte dann auch der Traum auf.

Inzwischen ist es fast 10 Uhr und ich arbeite am Schreibtisch. Als ich vorhin auf der Toilette war und pinkelnd so dasaß, hörte ich einen kleinen Metallgegenstand runterfallen. Vielleicht war mir ja eine Münze aus der Hosentasche gefallen? Ich schaute runter auf die Fliesen, sah aber nichts. Nach dem Spülen fiel mir bei einem flüchtigen Blick in die Kloschüssel plötzlich unten im Wasser etwas auf. Ich sah genauer hin und stellte fest: Mein Ehering liegt ja da drin, im Klowasser – und er hat sich nicht wegspülen lassen! Ich war nun gezwungen zu einer kleinen Rettungsaktion. Ich freute mich, dass ich den Ring wiederhatte. Doch musste ich auch unwillkürlich an den Traum von heute Nacht denken.

Will mir da irgendjemand irgendetwas sagen? Ich will heute meine Ohren und Augen offenhalten...

* * *

Freitag, 19. Oktober 2007

Kleiner Lukas!,











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Erwachsene Menschen
Gehen ihren Weg oft so unsicher
Oft so unklug
Erwachsene Menschen
Vergessen manchmal ihre besten Freunde
Und tun ihnen weh -
Manchmal sind sie lieb und sehr nett
Aber manchmal tun sie auch gemeine Dinge
Manchmal, weil sie denken, dass sie’s müssen
Manchmal einfach so, nur zum Spaß
Und dabei tun sie ihren besten Freunden
Doch so weh...
Ich bin auch ein erwachsener Mensch
Und du
Du bist noch im Bauch von Anne, meiner Frau
Du und Anne
Ihr seid meine besten Freunde...
Ich will dich lieben
Kleiner Lukas
Obwohl ich so ein Erwachsener bin
Ich will auch Anne lieben
Obwohl sie auch so eine Erwachsene ist
Tja
So gehen wir unseren Weg jetzt mit dir
Und du wirst sehn
Wie erwachsene Menschen sind -
Wirst du auch so sein?

* * *

Der Text ist vom 1. September 1994, das Foto von gestern, einem Tag vor Lukas' 13. Geburtstag: Er macht gerade seine Hausaufgaben...

Sonntag, 14. Oktober 2007

Inte Gration













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Von Zeit zu Zeit aus
Blut und Tinte
Bringt die Erde einen Sohn
Geile Sache oder
Rache
Oder einfach Mutation –
Wer weiß das schon!
Inte Tinte
Sagt der Schwede und
Erfindet Dynamit
Während es die Griechen riechen
Sagt der Ami einfach Shit -
Im Internet!
Der Nobelpreis und der Oscar
Und das Gold der großen Götter
Sind ganz nobel, machen locker
Und vergiften ihren
Sohn –
Was mach das schon!?

* * *

Der Text ist von gestern. Bin bestimmt nicht der einzige in diesem Universum, der so seine Probleme mit der Integration hat... Das Bild stammt von einem Relief im Vatikan und zeigt Gration im Kampf mit Artemis - hab etwas Tinte dazugegeben...

Sonntag, 7. Oktober 2007

Im Strudel der Zeit












* * *

Wir sind Mennoniten
Wir sind Christen, Anabaptisten
Wir drehen uns im Kreis
(Ich weiß
Nicht jeder wird dies von sich selbst
Behaupten wollen - wollen tun wir
Vieles nicht)
Wir leben in den Tag hinein
Und jeder Tag
Gehört natürlich uns allein!
Wir wollen oben sein
Genannt
Gekannt
Und überall gesehen werden
„Im Himmel wie auf Erden“
Und sehen nicht
Da, wo wir sind, da ist kein Licht!
Kalt und dunkel ist es
Keiner sagt es, jeder ahnt es:
Unser Weg ist krumm
Und allzu dumm
Sind wir im Kreis gelaufen
Wir laufen
Wir lassen uns taufen
Zuweilen auch kaufen und
Im Sog von Zeit und Geld sehn wir
Kaum noch
Was uns über Wasser hält...

* * *

Eine Luftmatratze? Jesus? Unser Non-Konformismus? Was hält uns über Wasser? Ironischerweise wurden die Mennoniten in ihrer Entstehungszeit reihenweise gefoltert, geköpft und ertränkt... Diesen Text schrieb ich im April 1996. Kam mir heute Morgen in den Sinn, vielleicht auch deswegen, weil in meiner MBG gerade ein Gottesdienst läuft... Das Bild oben zeigt die beiden Jungs von Maeyken Wens, auf der Suche nach der Daumenschraube, mit der ihre Mutter gefoltert wurde, bevor sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden ist - in Antwerpen, gestern vor 434 Jahren... (Bild: aus Märtyrerspiegel, Bethel College, USA)

Samstag, 6. Oktober 2007

Wir wollen mehr














* * *

Das eine haben wir erreicht
Wir schaun zur Seite
Haben im Visier
Was größer, schöner, besser ist
Und während uns
Die Lust darauf beschleicht
Verlässt uns auch schon
Der Verstand -
Die Hand greift zu
Denn unser Herz ist längst schon
Der Besitzer -
Keitbardank und
Heitzufrieden
Das haben wir davon
Und eines schönen Tages
Kotzen wir es aus...

* * *

Das war im Oktober 1998. Keine Ahnung, was mich dazu bewegt hat... Das Foto (Apollo 11) ist von gestern, aus einem Hotelzimmer gegenüber von Gare du Nord, mit Blick über Paris...

Mittwoch, 3. Oktober 2007

Shakespeare sien Sommadach












* * *

Etj meen, du litjenst eenem Sommadach
Doch du best schmocka noch, hast meea Kult
Dem Farjoa ritt dee Wint dee Bloome wajch
Dem Somma uck fehlt foaken dee Jedult

Mol schient dee Sonn vom Himmel vel to heet
En foaken es sien goldna Glaunz soo schwak
Daut Scheene es uck irjentwan nich scheen
Natua en Toofaul driewe Schobanak

Doch mucht dien eewja Somma nich vegone
Nich weinja woare, waut du Scheenet hast
En nich em Doot sien Schaute saulst du wohne
Wan benne best en eewje Tiet ea Nast

Soolang dee Mensch noch pust, sien Og noch sitt
Soolang uck lewt en Lewe jefft die dit

* * *

Sonett 18 von William Shakespeare. Diese Übertragung ins Plautdietsche ist 2003 in einem Band mit Shakespeare-Übersetzungen ("...lesen, wie krass schön du bist konkret", SIGNAThUR-Verlag, Schweiz) veröffentlicht worden. Eine plautdietsche Version von Heinrich Siemens ist auch dabei.

Raubtier-Gen











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Viele Bilder, oft gesehen
Fast unmöglich zu verstehen
Finden ihren Weg zu mir
Kommen, bleiben, nisten hier -
Brüten, wachsen, werden groß
Werde sie wohl nie mehr los...

Viele Worte, oft gehört
Hatten mich auch nie gestört
Fanden ihren Weg zu mir
Kamen, blieben, reiften hier -
Wäre alles kein Problem
Hätten sie kein Raubtier-Gen...

* * *

Das Gedicht ist von 1997, das Foto von heute morgen

Blindes Q


















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Ich suche dich
Ich sehne mich nach dir
Ich kann nicht sehen
Ich komme aus einer dunklen Nacht
Aus einer Sehnsucht nach Liebe
Aus der Sorge meiner Eltern
Dass eines Tages
Ihre Sehnsucht meine ist
Hier bin ich
Aber es ist dunkel
Ich bin nicht zu sehen
Ich bin wie die Sehnsucht selbst
Ich möchte nicht mehr
Gefangener meines Körpers sein
Und ich suche den
Der mich sieht
Bitte
Lass dich finden
Bevor ich fallen werde
Das hier
Ist kein Spiel

* * *

Das Gedicht ist von 1991, das Bild oben von 1995